Nachdem die blaue Plakette auf Bundesebene im August zunächst auf Eis gelegt wurde, legt Verkehrsminister Dobrindt den Städten und Kommunen nun plötzlich nahe, bei hohen Stickoxid-Werten eigenständig Fahrverbote zu verhängen. Hintergrund sind verschiedene Musterklagen, die unter anderem die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen verschiedene Städte und Bundesländer führt. Ein richtungsweisendes Urteil hat jetzt das Verwaltungsgericht Düsseldorf gefällt.
23 Ballungsräume haben in Deutschland mit hohen Stickstoffdioxid Belastungen zu kämpfen. Mitte vergangenen Jahres hatte die EU-Kommission deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Verantwortlich für die hohen Werte sind zum größten Teil Diesel-Pkw, die nicht die Euro-6 Norm erfüllen (mehr zum Hintergrund finden Sie hier).
Als Reaktion auf das Vertragsverletzungsverfahren der EU hatte das Bundesumweltministerium für spätestens 2017 die Einführung der blauen Plakette geplant. Nach massivem Protest aus der Automobilbranche und dem Verkehrsministerium („mobilitätsfeindlich“) nahm Bundesumweltmisterin Barbara Hendricks dann aber Abstand von dem Vorhaben.
In einer der Musterklagen der Deutschen Umwelthilfe hat es jetzt ein erstes Urteil gegeben. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf fordert die Stadt darin auf, Fahrverbote „ernstlich zu prüfen“, um die Grenzwerte für Stickstoffdioxid zukünftig einzuhalten. Auch in anderen Städten ist mit ähnlichen Urteilen zu rechnen, beispielsweise in Köln, Hamburg und Berlin.
Verschiedene Kommunen und Städte sehen jetzt wieder den Bund in der Pflicht. So sagte beispielsweise der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel dem Nachrichtenmagazin Focus, er halte die Einführung einer blauen Plakette für unerlässlich, weil man die Fahrzeuge, für die ein Fahrverbot verhängt werde, ohne sichtbare Kennzeichnung gar nicht unterscheiden könne.
Die Europäische Umweltagentur geht davon aus, dass rund 10.000 Menschen vorzeitig wegen der hohen NO2-Belastung in deutschen Innenstädten sterben –jährlich. Dementsprechend lautstark kritisieren Umweltverbände die Politik - unter anderem auch in ihrem Umgang mit der Automobilindustrie. Die Regierung versäume es, entsprechende Anreize für eine technische Weiterentwicklung zu setzen. Der Autohersteller Opel hatte beispielsweise in Aussicht gestellt, dass Euro-6 Diesel per Software Update sauberer werden könnten.